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Holomorphe Matrixfunktionen
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1. Integraldefinition
1. Sei $f$ eine geeignet gewählte holomorphe Funktion. Dann definiert man für eine quadratische Matrix $A$ die Matrixfunktion $f(A)$ zu
Wegen des Satzes von Cauchy, Cauchy, Augustin Louis (1789--1857), hängt $f(A)$ nicht von der Wahl der Kurve $\Gamma$ ab. Offensichtlich ist $S^{-1}f(A)S=f(S^{-1}AS)$, für jede invertierbare $(n\times n)$-Matrix $S$. Ohne Einschränkung kann man deshalb $A$ bei den weiteren Überlegungen als Jordanmatrix, Jordan, Camille (1838--1922), voraussetzen. Also $A = J = \mathop{\rm diag}(J_\nu)_{\nu=1}^k$, wobei $J_\nu$ Jordanblock ist. Es ist
Viele Behauptungen reduzieren sich damit also sogar lediglich auf die Betrachtung eines einzelnen Jordanblockes $J_\nu$, mit $J_\nu=\lambda_0\delta_{xy}+\left(\delta_{x+1,y}\right)_{x,y=1}^m$.
2. Sei nun $J$ Jordan-Block der Größe $k\times k$ zum Eigenwert $\lambda_0$. Dann gilt
Insbesondere für die spezielle Funktion $f(\lambda):=\lambda^n$ ergibt sich
wobei $\lambda^{-j}:=0$, für $j\in\mathbb{N}$.
3. Diese Darstellungen finden ihre Begründung durch den folgenden Satz, obwohl für den Fall $\lambda^n$ die Darstellung auch leicht direkt unter Benutzung von $J^n = (\lambda I + N)^n$, mit geeignetem Nilpotenzblock $N$ und der binomischen Formel bewiesen werden kann. Man braucht dann nicht den ganzen Weg über Matrizenfunktionen zu gehen. Möchte man die Integraldarstellung stärker berücksichtigen rechnet man wie folgend. Allgemein ist $f(A)=(1/2\pi i)\int_\Gamma f(z)(Iz-A)^{-1}dz$. Entwicklung des Cauchy-Kernes liefert
Dann berechnet man das Residuum durch Vertauschen von Integration und Summation zu
4. Satz: Es ist
Sind $f$ und $g$ holomorph auf (möglicherweise verschiedenen) Umgebungen des Spektrums von $A$, so gilt
Beweis: Es genügt, w.o. bemerkt, sich auf ein einziges Jordankästchen $J$ der Größe $m\times m$ zu beschränken. Es sei $\Gamma$ ein positiv orientierter Kreis um $\lambda_0$. Es ist
wobei $N = (\delta_{x+1,y})_{x,y}^m$, also $N^m=0\in\mathbb{C}^{m\times m}$ ist. Wegen $\int_\Gamma d\lambda/(\lambda-\lambda_0)=2\pi i$, und $\int_\Gamma (\lambda-\lambda_0)^k d\lambda=0$, für $k\in\mathbb{Z}\setminus\{-1\}$ gilt offensichtlich ${1\over2\pi i}\int_\Gamma (I\lambda-J)d\lambda=I$ und
Die additive Linearität ist klar. Für die multiplikative Aussage schließt man: Ist $f(\lambda)=\sum_{k=0}^\infty (\lambda-\lambda_0)^k f_k$ und $g(\lambda)=\sum_{k=0}^\infty (\lambda-\lambda_0)^k g_k$, so ist $f(\lambda)g(\lambda)=\sum_{k=0}^\infty (\lambda-\lambda_0)^k h_k$, mit $h_k=\sum_{i=0}^k f_i g_{k-i}$. Folglich
☐
Mit der Darstellung für $J^n$ ergibt sich leicht der folgende Sachverhalt.
5. Satz: Sei $J$ eine beliebige Jordanmatrix. Dann gelten:
(1) $J^n\to0$ genau dann, wenn $\left|\lambda\right| < 1$.
(2) $\sup_{n=1}^\infty|J^n|\le\rm const$ genau dann, wenn $\left|\lambda\right| \le 1$ und zu Eigenwerten vom Betrage 1 nur lineare Elementarteiler gehören, also die Jordanblöcke zum Eigenwert 1 stets von der Größe $(1\times 1)$ sind.
Wegen $A=XJY$, $Y=X^{-1}$ und damit $A^n=XJ^nY$ und wegen $\left|A^n\right|\le\left|X\right|\cdot\left|J^n\right|\cdot\left|Y\right|$, erhält man daher für eine beliebige quadratische Matrix $A$ den folgenden Satz.
6. Satz: Seien $\lambda_i$ für $i=1,\ldots k$, die Eigenwerte der Matrix $A$. Dann gelten
(1) $\def\mapright#1{\mathop{\longrightarrow}\limits^{#1}}|A|\mapright{n\to\infty}0$ genau dann, wenn $|\lambda_i|<1$, für alle $i=1,\ldots,k$, und
(2) $|A^n|$ beschränkt für alle $n\in\mathbb{N}$ genau dann, wenn $|\lambda_i|\le1$ und zu Eigenwerten vom Betrage 1, nur $(1\times 1)$-Jordanblöcke korrespondieren.
7. Bemerkung: Es gelten die Äquivalenzen
Beweis: Zu: $\sum_{n=0}^\infty A^n=(I-A)^{-1}$, falls $\rho(A)<1$. Ist $\lambda$ Eigenwert von $A$, so ist $(1-\lambda)$ Eigenwert von $(I-A)$. Wegen $|\lambda|<1$, ist $(I-A)$ invertierbar. Weiter
Somit gilt für alle $n\in\mathbb{N}$
und damit folgt wegen $A^n\to0$, die Behauptung. Die Rückrichtung $\rho(A)<1$, falls $\sum A^n = (I-A)^{-1}$ ist klar aufgrund der notwendigen Konvergenzbedingung für die Reihe. Die restlichen Äquivalenzen ergeben sich u.a. mit Hilfe des vorhergehenden Satzes und sind offensichtlich. ☐
8. Eine andere Anwendung für die Darstellung von $J^n$, ist die Lösungsdarstellung für homogene, lineare Differenzengleichungen mit konstanten Koeffizienten. Durch Übergang von der Begleitmatrix zur Jordanmatrix erkennt man dann recht schnell die Lösungsdarstellung für die Differenzengleichung. Es ist
also
9. Satz: Voraussetzung: Es habe $L(\lambda)=\lambda^\ell+a_{\ell-1}\lambda^{\ell-1}+\cdots+a_0 \in \mathbb{C}$ die Faktorisierung
Behauptung: Der Lösungsraum der homogenen, linearen Differenzengleichung $a_{m+\ell}+a_{\ell-1}x_{m+\ell-1}+\cdots+a_0x_m=0$ hat die Dimension $\ell$ und wird aufgespannt von
wobei $\mathop{\rm grad} p_\nu=\eta_\nu-1$, $\nu=1,\ldots,k$. Der Fall $\mathop{\rm grad} p_\nu=0$ bedeutet dabei Konstante.
Beweis: Sei $u_m:=(x_{m-1+\ell},\ldots,x_m)\in\mathbb{C}^\ell$. Die Lösung der Differenzengleichung $L(E)x_m=0$ lautet $u_m = C_1^m u_0 = X J^m Y u_0$, wobei $Y=X^{-1}$ die Matrix der Linksjordanvektoren und $X$ die Matrix der Rechtsjordanvektoren ist. Die Multiplikation von links mit $X$ und von rechts mit $Y$ bewirkt eine Vermischung der einzelnen Jordankästchen. Nach Ausklammern von gemeinsamen Faktoren stehen vor $\mu_\nu$ Summen von Binomialkoeffizienten $m\choose\rho_\nu$, $0\le\rho_\nu<\eta_\nu$, $\nu=1,\ldots,k$, also Polynome in $m$. Da $C_1$ stets nicht-derogatorisch ist -- betrachte Minor $(C_1)_{1,\ldots,n-1}^{2,\ldots,n}$ -- beträgt der Grad von $p_\nu$ genau $\eta_\nu-1$, wegen $\mathop{\rm grad}{m\choose\eta_\nu-1}=\eta_\nu-1$. Aufgrund von $\sum\eta_\nu=\ell$ hat man insgesamt $\ell$ freie Parameter. Noch zu zeigen: die lineare Unabhängigkeit der angegebenen Lösung. ☐
10. Corollar: Die Folgen $(m^i{\mskip 3mu}\mu_\nu^m)$, $i=0,\ldots,\eta_\nu-1$, für $\nu=1,\ldots,\ell$, bilden eine Basis für den Lösungsraum der Differenzengleichung.
2. Homomorphismus in obere Dreiecksmatrizen
1. Es gibt auch einen anderen Zugang zu holomorphen Matrixfunktionen, siehe den Artikel der beiden Autoren Yasuhiko Ikebe und Toshiyuki Inagaki, Ikebe/Inagaki (1986), "An Elementary Approach to the Functional Calculus for Matrices", The American Mathematical Monthly, Vol 93, No 3, May 1986, pp.390--392
Sei $f$ in einer Umgebung von $\{\lambda_1,\ldots,\lambda_r\}$ genügend oft differenzierbar. Für ein festes $n\in\mathbb{N}$ setzt man
Für $f(z)=z$ ergibt sich
d.h. also ein einfacher Jordanblock der Größe $n\times n$ zum Eigenwert $\lambda$. Mit $J$ sei stets ein solcher Jordanblock gemeint. Ist $f(z)\equiv c=\rm const$, so ist $f^*(z)=cI$.
Die Abbildung $*\colon f\rightarrow f^*$ ist ein Homomorphismus der Algebra der analytischen Funktionen in einer Umgebung von $\{\lambda_1,\ldots,\lambda_r\}$ in die kommutative Algebra der oberen Dreiecksmatrizen.
2. Satz: (Homomorphiesatz) Es gelten
(1) $(f+g)^* = f^* + g^*$, Additivität,
(2) $(cf)^* = c{\mskip 3mu}f^*$, $c\in\mathbb{C}$ fest, Homogenität,
(3) $(fg)^* = f^* {\mskip 3mu} g^* = g^* {\mskip 3mu} f^*$, Multiplikation und Kommutativität,
(4) $(f/g)^* = f^* {\mskip 3mu} (g^*)^{-1} = (g^*)^{-1}{\mskip 3mu} f^*$, falls $g^*(z)\ne0$, Quotientenbildung und Kommutativität,
(5) $(1/g)^* = (g^*)^{-1}$, falls $g^*(z)\ne0$, Inversenbildung.
Durch wiederholtes Anwenden von (1), (2) und (4) ergibt sich sofort
3. Corollar: Sei $f$ eine rationale Funktion ohne Pol in $\lambda$ und sei $f=p/q$ die vollständig gekürzte Darstellung, mit also teilerfremden Polynomen $p$ und $q$. Dann gilt
Aber auch für Potenzreihen rechnet man wie erwartet. Dies zeigt die
4. Folgerung: Sei $f(\lambda)=a_0+a_1z+\cdots{\mskip 3mu}$ eine Potenzreihe mit Konvergenzradius echt größer als $\left|\lambda\right|$. Dann gilt $ f^*(\lambda) = a_0I+a_1J+\cdots{\mskip 3mu}. $
Zu einer vorgegebenen festen quadratischen Matrix $A$ sei die (bis auf Permutation eindeutige) Jordannormalform $X^{-1}AX=\mathop{\rm diag}\left(J_1,\ldots,J_m\right)$ betrachtet. Hierbei ist $X$ (Matrix der Rechtsjordanketten) invertierbar. $J_i$ bezeichnet einen einfachen Jordanblock zum Eigenwert $\mu_i$, $i=1,\ldots,m$. Die $\mu_i$ müssen nicht notwendig verschieden sein. Ist $f$ eine analytische Funktion in der Umgebung von $\{\mu_1,\ldots,\mu_m\}$, so definiert man $f(A)$ durch
Das Corollar und die Folgerung zeigen, daß $f(A)$ übereinstimmt mit dem, was man gängigerweise erwartet, zumindestens für rationale Funktionen und für Potenzreihen. Direkt aus der Definition folgt
5. Satz: Identitätssatz. Seien $\lambda_1,\ldots,\lambda_r$ die verschiedenen Eigenwerte von $A$. Die Funktionen $f$ und $g$ seinen analytisch in einer Umgebung von $\{\lambda_1,\ldots,\lambda_r\}$. Dann gilt Gleichheit $f(A)=g(A)$ genau dann, wenn die Ableitungen an den Eigenwerten bis zu entsprechender Ordnung übereinstimmen, also
wobei $m_k$ die Größe des größten Jordanblockes zum Eigenwert $\lambda_k$ bezeichnet.
Die oben als Definition für $f(A)$ benutzte Integralformel lässt sich nun, da Funktionen von Matrizen jetzt anders definiert wurden, auch beweisen.
6. Satz: Integraldarstellung für $f(A)$. Sei $\Gamma$ eine einfache geschlossene Kurve, die in ihrem Inneren die sämtlichen Eigenwerte von $A$ umschließt. Sei $f$ holomorph auf $\Gamma$ und im Inneren von $\Gamma$. Dann gilt
Beweis: Wie üblich reduziert sich der Beweis auf die Betrachtung eines einzelnen Jordanblockes $J$ der Größe $n\times n$. Man rechnet
Beim Übergang von der ersten Zeile zur zweiten Zeile wurde benutzt %
und beim Übergang von der $2^{\rm ten}$ zur $3^{\rm ten}$, daß die Inverse von $I\tau-J$ halt so aussieht. ☐
Der vorletzte Satz (Identitätssatz für Matrixfunktionen) zeigt, daß für eine feste Matrix $A$, die Matrixfunktion als Matrixpolynom darstellbar ist, da eine Übereinstimmung nur an endlich vielen Ableitungen gefordert ist. Sind die $m_k$ ($k=1,\ldots,r$) bekannt, so kann für eine feste Matrix $A\in\mathbb{C}^{n\times n}$ ein Ansatz der Form $g(\lambda) = a_{n-1}\lambda^{n-1} + \cdots + a_1\lambda + a_0$ gemacht werden, und man erhält die $a_i$ als Lösung einer Hermiteschen Interpolationsaufgabe. Sind alle Eigenwerte verschieden, also $m_k=1$ ($k=1,\ldots,r$), so liegt eine gewöhnliche Interpolationsaufgabe zugrunde. Die Lösung geschieht beispielsweise mit Newtonschen Differenzen oder der Lagrangeschen Formel, u.U. auch über die Cramersche Regel. Zu überprüfen ist, ob $f(\lambda)$ für die Eigenwerte $\lambda_1,\ldots,\lambda_r$ auch tatsächlich definiert ist. Probleme treten z.B. auf bei $f(\lambda)=\sqrt\lambda$, $f(\lambda)=\ln\lambda$, für $\lambda\notin\mathbb{R}^+$. Für $A\in\mathbb{C}^{1\times1}$ entartet die Aussage des Identitätssatzes in eine leere Aussage, nämlich $f=g\iff f=g$.
Einfache Folgerungen direkt aus der Definition von Matrizenfunktionen sind nun die folgenden Ergebnisse.
7. Satz: Satz von Cayley/Hamilton, 1.te Fassung, Cayley, Arthur (1821--1895), Hamilton, William Rowan (1805--1865). Das charakteristische Polynom $\chi(z)=\det(Iz-A)$ für $A\in\mathbb{C}^{n\times n}$ annulliert als Matrixpolynom aufgefaßt $A$, also es gilt $\chi(A)=0\in\mathbb{C}^{n\times n}$.
Beweis: Nach Charles A. McCarthy (1975): "The Cayley-Hamilton Theorem", The American Mathematical Monthly, April 1975, Vol 82, No 4, pp.390--391. Die Inverse von $Iz-A$ ist $\left[\det(Iz-A)\right]^{-1} M_{\mu\nu}(z)$, wobei $\mathop{\rm grad} M_{\mu\nu}\le n-1$. Die Integraldarstellung von $\chi(A)$ liefert
nach dem Cauchyschen Integralsatz ($\int_\Gamma f=0$, $f$ holomorph). ☐
8. Definition: Zu einer Matrix $A\in\mathbb{C}^{n\times n}$ mit Eigenwerten $\lambda_1,\ldots,\lambda_r$ ($r\le n$) und Jordannormalform $A\sim\mathop{\rm diag}(J_1,\ldots,J_s)$ ($r\le s\le n$) heißt
das Minimalpolynom zu $A$. Hierbei ist $m_\nu$ die Ordnung des größten Jordanblocks zum Eigenwert $\lambda_\nu$. Zu $A={1{\mskip 3mu}0\choose0{\mskip 3mu}2}$ ist $\hat\chi(z)=(z-1)(z-2)$, zu $A=I$ ist $\hat\chi(z)=z-1$ unabhängig von $n$, und zu $A=\mathop{\rm diag}[{1{\mskip 3mu}1\choose0{\mskip 3mu}1},1,1,1]$ ist $\hat\chi(z)=(z-1)^2$ das Minimalpolynom.
9. Ähnliche Matrizen haben die gleiche Jordannormalform bis auf Umnumerierung von Jordanblöcken, daher das gleiche Minimalpolynom und auch das gleiche charakteristische Polynom. Offensichtlich verschwindet jeder Faktor $(J-\lambda_\nu I)^k$ ($\forall k\ge m_\nu$) für jeden Jordanblock $J$ zum Eigenwert $\lambda_\nu$, also $\hat\chi(A)=0\in\mathbb{C}^{n\times n}$, aber $(J-\lambda_\nu I)^k\ne0$ ($\forall k<m_\nu$). Damit ist $\hat\chi(z)$ ein Polynom minimalen Grades, welches $A$ annulliert. Aufgrund des führenden Leitkoeffizienten gleich 1 ist $\hat\chi(z)$ sogar eindeutig bestimmt. Da $\hat\chi$ stets Teiler von $\chi(z)=\det(Iz-A)$ ist, folgt
10. Satz: Satz von Cayley/Hamilton, 2.te Fassung, Cayley, Arthur (1821--1895), Hamilton, William Rowan (1805--1865). $\chi(A)=0\in\mathbb{C}^{n\times n}$. In Worten: Die Matrix $A$ annulliert ihr eigenes charakteristisches Polynom.